Zu den meistdiskutierten Initial Public Offerings (IPOs) – so die englische Bezeichnung für einen Börsengang – des vergangenen Jahrzehnts gehören Facebook, X, Snapchat und Alibaba. Die ersten drei sind klassische Technologie-Unicorns, die zum Zeitpunkt des Börsengangs rote Zahlen schrieben – und teilweise bis heute nicht profitabel sind –, aber trotzdem vor dem Börsengang eine Marktbewertung von über einer USD 1 Mrd. hatten. Dennoch haben beispielsweise Anleger der ersten Stunde bei Facebook profitiert, wenn sie ihre Papiere bis heute gehalten und nicht nach ersten Kurseinbrüchen wieder abgestossen haben. Bei X und Snapchat hingegen ist die Situation bis heute weniger rosig. Die Aktien beider Unternehmen liegen bis heute immer noch unter dem Emissionskurs beim IPO.
Sie befinden sich hier:
Börsengang als Chance für Investoren
Börsengänge können für Investoren sehr lukrativ sein. Als beispielsweise LinkedIn im Mai 2011 an die Börse kam, schoss der Aktienkurs am ersten Handelstag von USD 45 auf über USD 94 hoch. Fünf Jahre später übernahm Microsoft das Unternehmen für knapp USD 200 pro Aktie. Aber es gibt auch eher mittelmässige Entwicklungen oder Fehlschläge bei Börsengängen. Als X (ehemals Twitter) im November 2013 an die Börse kam, legte der Aktienkurs am ersten Handelstag um über 70% auf knapp USD 45 zu. Heute liegt die Notierung mit rund USD 40 deutlich unter dem Schlusskurs des ersten Handelstages.
Alibaba schlägt alle Rekorde
Der Onlinehändler Alibaba hatte in seinem Heimmarkt China zum Zeitpunkt des Börsengangs bereits einen Marktanteil von 80%. Die Nachfrage nach den Wertpapieren war enorm. Die New Yorker Börse (NYSE) brauchte aufgrund der Masse an Kaufaufträgen fast zweieinhalb Stunden, bevor sie einen ersten Kurs nennen konnte. Der ursprünglich geplante Ausgabepreis pro Aktie lag bei USD 68. Am Tag des IPO stieg der Preis zwischenzeitlich auf fast USD 100. Mit einem Gesamtvolumen von USD 25 Mrd. ist der Börsengang von Alibaba der bisher grösste in der Geschichte. Seit dem Börsendebüt im August 2014 haben die Wertpapiere ihren Wert verdoppelt. Sowohl Unicorns als auch etablierte Unternehmen können also für Investoren sehr attraktiv sein.
Aktuell halten sich Unternehmen global mit Börsengängen zurück: Im ersten Quartal 2019 sind die Emissionsvolumen gemäss der weltweit operierenden Beraterfirma Ernst & Young gegenüber dem Vorjahr um fast drei Viertel auf USD 13,1 Mrd. gesunken. Trotzdem bieten sich gerade in der Schweiz auch dieses Jahr einige interessante Möglichkeiten.
Welche IPOs der letzten Monate waren für Anleger interessant?
Der Schweizer Eisenbahnkonzern Stadler Rail ging am 12. April 2019 an die Börse. Das Interesse an der Aktie war riesig. Die Nachfrage überstieg das Angebot. Platziert wurden die Aktien vor allem bei institutionellen Anlegern wie Pensionskassen, Versicherern oder Anlagefonds. Viele Privatanleger gingen leer aus.
Das muss aber kein Nachteil sein. Denn in vielen Fällen entstehen im Vorfeld eines öffentlich breit angekündigten IPO von den Medien angefachte grosse und teilweise übertriebene Erwartungen in Bezug auf das Potenzial einer Aktie, die den Kurs um das Datum der Erstemission in die Höhe treibt. Oft wird der Preis in den Folgemonaten wieder korrigiert, was für Privatanleger ein interessantes Fenster für einen Einstieg schafft. Dies war jüngst beim Börsengang von Sensirion der Fall: In den ersten Monaten nach dem IPO legte die Aktie deutlich zu. Heute notieren die Wertpapiere aber wieder um den ursprünglichen Emissionspreis.
Was muss ich als Anleger beachten?
Bei jeder Art von Investition ist eine umfassende Information zur Anlage wichtig. Im Fall eines Initial Public Offering (IPO) empfiehlt sich, den Emissionsprospekt und die Vorinformationen einzuholen, sofern die fragliche Firma den Privatanlegern diese vorab zur Verfügung stellt.
Mit folgenden Punkten sollten Sie sich im Rahmen eines Börsengangs im Besonderen auseinandersetzen:
- Zeichnungsfrist: Bei einem IPO beschreibt die Zeichnungsfrist einen vom emittierenden Unternehmen definierten Zeitraum, innerhalb dessen Aktien zu einem festgelegten Preis (Emissionspreis) gezeichnet werden können. Der Begriff kann sich in einem anderen Kontext auch auf die Ausgabe von Anleihen beziehen.
- Pricing-Methode: Die Festlegung des Emissionspreises kann auf verschiedene Arten erfolgen. Wir unterscheiden der Einfachheit halber zwei Ansätze. Die einfachste Methode ist das Festpreisverfahren. Hier definiert das emittierende Unternehmen einen fixen Preis, zu dem Aktien während der Zeichnungsfrist gezeichnet werden können. Die heute verbreitetste Methode ist das Orderbuch-Verfahren (Bookbuilding). Dabei handelt es sich um eine Art Auktion, bei der interessierte Investoren innerhalb der Zeichnungsfrist Gebote für eine bestimmte Anzahl Aktien abgeben. Das emittierende Unternehmen entscheidet dann, welchen Investoren es den Zuschlag gibt.
- Partnerbank: Wenn Sie vor dem offenen Handel an der Börse Wertschriften eines Unternehmens kaufen wollen, können Sie das über Ihre Bank organisieren.
- Streubesitz (Free Float): Eine wichtige Grösse bei der Beurteilung der Attraktivität eines Börsengangs ist der Streubesitz. Dieser bezeichnet den Anteil des gesamten Aktienkapitals eines Unternehmens, der an der Börse frei gehandelt werden kann. Bei einigen Börsengängen wird nur ein Teil des Aktienkapitals zur Zeichnung angeboten. Das kann dazu führen, dass Grossaktionäre im Unternehmen Macht auf sich konzentrieren und an einer Generalversammlung ihre Interessen einfacher durchsetzen können. Für Privatanleger kann das, je nach der Gesinnung solcher Grossaktionäre, ein Risiko oder eine Chance darstellen. Der Börsengang von Stadler Rail ist ein Beispiel für so einen Fall, da nur rund 40% der Aktien angeboten wurden.