Techno und kein Ende?

Neue Technologien verändern unser Leben. Wir werden produktiver, sparen Ressourcen, vieles wird komfortabler. Für die involvierten Unternehmen bedeutet das mehr Umsatz. Mehr Umsatz bedeutet in einer Marktwirtschaft aber nicht dauerhaftes Gewinnwachstum.

Vorsicht bei Technologietiteln. Umsatz- und Gewinnwachstum sind nicht das Gleiche.

Technologischer Fortschritt ist das, was unsere Wirtschaft voranbringt. Innovation erlaubt uns, bestehende Bedürfnisse mit weniger Ressourcenaufwand zu befriedigen oder neu auftretende Probleme überhaupt zu lösen. Gäbe es keinen Fortschritt bei Verfahren und Produkten, wäre unser Lebensstandard heute noch so wie in der Steinzeit.

In einer Marktwirtschaft schaffen wir starke Anreize für diesen Fortschritt. Wer die Menschheit weiter bringt, soll auch etwas davon haben – allerdings nicht für immer. So begrenzen wir z.B. den Schutz von Patenten auf eine konkrete Anwendung und in der Regel auch zeitlich. Danach herrscht Wettbewerb und die anfänglich hohen Gewinne werden weg konkurrenziert. Dies hat dazu geführt, dass marktwirtschaftliche Systeme nicht nur im Generieren von Wohlstand anderen Wirtschaftssystemen deutlich voraus sind. Auch in sozialen Errungenschaften, medizinischer Versorgung, Lebensstandard oder Förderung individueller Freiheiten kann sich kein anderes Wirtschaftssystem mit unserem messen.

Warum das ein Thema für Anleger:innen ist? Weil immer wieder Technologieaktien in den Mittelpunkt des Börsengeschehens rücken und viele in der Euphorie von einer Welt mit ewig wachsenden Gewinnen und Börsenkursen träumen. Tatsächlich können neue Technologien für einzelne hoch innovative Unternehmen zu einem deutlichen Sprung in Umsatz und Gewinn führen. Aktuelles Beispiel dafür ist der Chip-Hersteller Nvidia. Die Gesellschaft ist in den letzten Zügen der Dot.com-Blase im Jahr 1999 an die Börse gekommen. Eine Aktie war damals 4 US-Cents wert. Heute liegt der Börsenkurs bei 135 US-Dollar.

Innovation bei den hergestellten Chips und die allgemeine Euphorie haben in den letzten zehn Jahren zu einem Anstieg des Umsatzes und des Gewinns um mehr als den Faktor 20 geführt. Der Börsenkurs ist aber um über das Dreihundertfache angestiegen. Mit anderen Worten: Der Markt erwartet, dass das mit dem rasanten Anstieg von Umsatz und Gewinn so weitergeht. Wahrscheinlich passiert das sogar noch eine ganze Weile, aber dauerhaft sind Gewinnmargen von wie heute 50 Prozent und mehr in unserem Wirtschaftssystem nicht vorstellbar.

Klar, das Potenzial künstlicher Intelligenz ist riesig: Generative AI hat in kürzester Zeit viel verändert und mit ChatGPT und anderen Anwendungen Einzug in den Alltag gehalten. Und da wird auch noch vieles folgen. Aber Märkte neigen zu Übertreibungen. Wie lange sie dauern, weiss man leider nicht. Was man dagegen schon weiss, ist, dass die künftigen Entwicklungen bei Nvidia kein Gamechanger für den Gesamtmarkt sein werden. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir eine neue Technologie nach der anderen gesehen. Entgegen der Annahme vieler hat aber noch nie eine neue Technologie den Anstieg der Gewinne des Gesamtmarktes signifikant beschleunigt. Bei einzelnen Unternehmen und für eine gewisse Zeit, ja. Aber nicht für den Gesamtmarkt, denn das Gewinnwachstum kehrte nach anfänglichem Überschiessen stets zum Potenzialwachstum zurück.

Das muss auch so sein: Was viele Beobachter:innen vergessen, ist, dass bei Produkten mit hohen Margen schnell Konkurrenz auf den Plan tritt oder die teuren Produkte durch billigere substituiert werden. Für die Anbieter:innen dieser Innovationen bedeutet das regelmässig, dass nach einer anfänglichen Euphorie auch wieder etwas Ernüchterung einkehrt.

Über Philipp Merkt

Philipp Merkt arbeitet seit 2015 bei PostFinance – aktuell als Chief Investment Officer und Leiter Asset Management Solutions. Der gebürtige Solothurner hat an der Universität Fribourg Informatik und Wirtschaft studiert und hat einen MBA mit Schwerpunkt Finance der Universität Bern sowie der Simon Business School der University of Rochester NY.

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